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16: Hin und her macht Taschen leer

Andy • Juli 08, 2021
Was Broker gern verschweigen: Inaktivität zahlt sich aus! Häufiges Kaufen und Verkaufen kostet viel Geld und schmälert die Rendite. Eine interaktive Rechnung zeigt, wie groß die Auswirkungen sind.
Trading-Apps bewerben das spielerische Handeln mit Aktien per Smartphone und suggerieren geringe Kosten. Dadurch sollen die Nutzer zum Traden animiert werden, also ihre Aktien nur kurzfristig halten und möglichst häufig hin und her handeln.

Dem gegenüber stehen professionelle Investoren wie beispielsweise Warren Buffett, die immer wieder betonen, dass es die langfristigen Investitionen sind, die reich machen.

Was ist also dran, an der alten Börsenweisheit „Hin und her macht Taschen leer“? Um das zu untersuchen habe ich eine Beispielrechnung durchgeführt. Mithilfe zweier Szenarien vergleiche ich einen „Trader“ sowie einen „Investor“. Das Ergebnis ist eine interaktive Excel-Kalkulation, in der Du Deine persönlichen Zahlenwerte für Startkapital, Kosten oder erwartete Renditen eintragen kannst. Lad hier die Datei runter und lass dich von den unterschiedlichen Szenarien überraschen.

Annahmen für die Berechnung

Für die Berechnung habe ich einige sinnvolle Annahmen aufgestellt. So gehe ich davon aus, dass bei einer Anlage in Aktien über einen langen Zeitraum eine Rendite vor Steuern und Kosten von 8% realistisch ist [1]. Die Rendite setzt sich zusammen aus 5% für Kursgewinne sowie 3% aus Dividendenzahlungen. Weiterhin gehe ich davon aus, dass die laufenden Kosten für Depotführung bei 0% liegen und der Kauf- oder Verkauf mit Kosten von jeweils ca. 0,25% des Anlagebetrages zu Buche schlägt [2].

Hinsichtlich der Steuer bin ich von einem jährlichen Freibetrag von 801€ ausgegangen sowie einer Kapitalertragssteuer von 25% und einem Solidaritätszuschlag von 5,5%. Diese Annahmen entsprechen dem derzeitigen Steuerrecht [3]. Optional käme noch – je nach Zugehörigkeit - die Kirchensteuer dazu, die ich in meinem Beispiel jedoch auf 0% gesetzt habe.


Das Startkapital möge zu Beginn bei 25.000€ liegen und die Anlagedauer 40 Jahre betragen, was grob der Dauer des Erwerbslebens entsprechen würde. Beide Zahlenwerte lassen sich im Tool individuell anpassen und Berechnungen für ein höheres Startkapital oder etwa eine kürzere Anlagedauer durchführen. Im ersten Szenario wird das Geld des Traders aktivistisch angelegt und eine Aktie im Durchschnitt nur ein Jahr lang gehalten. Im zweiten Szenario wird das Kapital vom Investor gemäß dem „Buy and Hold“ Prinzip langfristig angelegt und nicht umgeschichtet. In beiden Fällen werden die gezahlten Dividenden erneut angelegt.

Ergebnisse

Das nachfolgende Diagramm zeigt die Entwicklung des Startkapitals über die Dauer der Anlage, jeweils nach Kosten und Steuern. Die blaue Kurve repräsentiert den Trader, der sein Depot jährlich umschichtet, während die orangene Kurve den Investor symbolisiert, der seine Aktien ohne Umschichtungen hält.

Während zu Beginn sich beide Kurven ähnlich entwickeln, setzt mit der Zeit eine Differenz zugunsten des Investors ein. Dieser Unterschied wird infolge von Zinseszinsen mit zunehmender Anlagedauer immer größer.


Ausgehend von 25.000€ Startkapital verfügt der Trader am Ende der Anlagedauer nach Kosten und Steuern über ein Kapital von ca. 242.000€, während der Investor auf ganze 373.000€ kommt. Im ersten Szenario wurde im Laufe von 40 Jahren eine Gesamtrendite nach Kosten und Steuern von 868% erzielt. Im zweiten Szenario sind es stolze 1393%. Der Unterschied beträgt mehr als 130.000€ bzw. über 500-Prozentpunkte. Wohlgemerkt unterstellte ich für beide Anleger die gleiche Brutto-Rendite von 8% pro Jahr.

Ursachensuche: Die Kosten

Was sind nun also die Gründe, wieso die beiden Anleger trotz identischer Brutto-Renditen so unterschiedlich abschneiden? Nun ja, dafür lohnt es genau hinzuschauen: Von der erzielten Rendite müssen zunächst die Kosten für den Handel abgezogen werden.

Die Kosten setzen sich insgesamt aus drei Bestandteilen zusammen. Zunächst entsteht eine direkt sichtbare Provision für den Handel, die der Broker oder die Bank erhebt. Daneben entstehen indirekte Nebenkosten. Diese sind etwa Gebühren von Dritten wie etwa für Börsenplatz, Umschreibung der Aktien oder Abwicklungsgebühren. Als dritter Bestandteil entstehen zudem unsichtbare Kosten in Form eines sogenannten Spreads. Der Spread bezeichnet den Unterschied zwischen dem Preis einer Aktie, den der Käufer zahlt und demjenigen Betrag, der beim Verkäufer ankommt. Für ein und dieselbe Aktie bekommt der Verkäufer stets weniger, als der Käufer zahlt. Die Differenz geht in die Taschen anderer. Je höher der Spread, desto nachteiliger ist es – und zwar für Käufer und Verkäufer.

In Summe kann also davon ausgegangen werden, dass 0,25% Kosten für den Kauf- oder Verkauf von Aktien sehr realistisch sind. Diese Aussage gilt auch für Apps, die damit werben, provisionsfrei zu handeln. Hier verschieben sich die Kostenarten einfach von der ersten zu den beiden anderen Kategorien.

Obwohl 0,25% nach wenig klingen, ergeben sich über die gesamte Anlagedauer stolze Beträge. Der Trader zahlt in Summe ca. 19.900€ für den Handel mit Aktien, während der Investor nur etwa 1.400€ zahlen muss. Der Unterschied erklärt sich, weil letzterer lediglich die ihm zugeflossenen Dividenden neu anlegen muss, nicht jedoch den gesamten Depotbestand jährlich umschichtet. Das führt dazu, dass im ersten Beispiel die effektive Kostenquote, also der Anteil der Kosten an den Brutto-Erträgen, bei unglaublichen 6,6% liegt während im zweiten Fall dieser nur 0,3% beträgt.

Steuerstundung: Kostenloser Kredit vom Staat

Die zweite Ursache für das unterschiedliche Ergebnis stellen die Steuern dar – und hier liegt das Erfolgsgeheimnis der oben genannten Investorenlegende Warren Buffett.

Abzüglich eines Freibetrages von derzeit 801€ pro Jahr, müssen in Deutschland Dividendenzahlungen und Kursgewinne mit 25% Kapitalertragssteuer sowie einem Solidaritätszuschlag von 5,5% versteuert werden. Das ergibt in Summe einen effektiven Steuersatz von 26,38%. Je nach Zugehörigkeit, käme noch die Kirchensteuer hinzu.

In der obigen Berechnung beträgt für beide Szenerien die erzielte Rendite vor Kosten und Steuern 8%, davon 5% aus Kursgewinnen und 3% aus Dividendenzahlungen. Erhaltene Dividendenzahlungen werden von beiden Anlegern jeweils im Jahr versteuert, in dem sie zugeflossen sind, sodass sich bei Dividenden kein Unterschied hinsichtlich der Steuer ergibt.

Interessanter wird es allerdings mit den Kursgewinnen: Der Trader hält seine Aktien nur ein Jahr und schichtet anschließend um. Den erzielten Kursgewinn muss er versteuern. Beträgt der Kursgewinn brutto 1.000€ bleiben nach Abzug der Steuer 736,20€ übrig. Dieses Geld kann der Trader erneut anlegen und damit wirtschaften.

Bei dem Investor sieht die Sache allerdings anders aus: Da er seine Aktien nicht verkauft, muss er seinen Kursgewinn nicht versteuern. Von seinen 1.000€ Kursgewinn bleiben weiterhin 1.000€ übrig. Gleichzeitig entsteht eine aufgeschobene Steuerschuld von 263,80€. Diese wird allerdings erst beim Verkauf fällig. Da der Verkauf aber in vielen Jahren erfolgt, wandert auch die Steuerzahlung in ferne Zukunft.

Im Folgejahr erzielen beide Anleger wieder 5% Kursgewinn. Während der Trader jedoch mit 736,20€ arbeitet, beträgt sein Kursgewinn nur 36,81€. Der Investor wiederum verfügt über 1.000€, womit sich ein Kursgewinn von 50€ erzielen lässt. Dies wiederholt sich nun Jahr für Jahr.

Da der Investor infolge des unversteuerten Anteils an einem Kapital insgesamt über mehr Geld verfügt, kann er bei gleicher prozentualer Rendite absolut betrachtet einen höheren Gewinn verbuchen, als der Trader.

Dieser Effekt heißt Steuerstundung und besagt, dass fällige Steuerzahlungen in die Zukunft verlagert werden. Es ermöglicht dem Investor mit einem deutlich höheren Kapital zu arbeiten, als es eine jährliche Versteuerung es ergäbe. Die versteckte Steuerlast für die Kursgewinne wird also von Jahr zu Jahr fortgetragen und wird erst nach 40 Jahren fällig. In dieser Zeit erhält der Investor sozusagen einen kostenlosen Kredit vom Staat, mit dem er wirtschaften kann.

Am Ende der Anlagedauer muss allerdings auch der Investor seine Kursgewinne versteuern. Weil seine Kursgewinne absolut betrachtet jedoch deutlich höher waren, beträgt die gesamte Steuerlast ca. 112.900€, während der Trader mit etwa 66.000€ nur halb so viel Steuern bezahlen muss.

Das klingt auf dem ersten Blick negativ, lässt sich durch die deutlich höheren Gewinne des Investors erklären. Die effektive Steuerquote beträgt beim Trader ca. 21,9%, während der Investor ca. 24,5% Steuern zahlen muss.

 
Zusammenfasst zeigt sich also, dass sich durch einen Buy-and-Hold Ansatz Vorteile für fast alle Beteiligten ergeben: Der Investor kann deutlich höhere Rendite erzielen und massiv Vermögen aufbauen. Auch der Staat freut sich, weil er in Summe deutlich mehr Steuern erheben kann, nur eben später. Lediglich die Broker und Banken ziehen den Kürzeren und ärgern sich über geringe Einnahmen. Dies könnte ein Grund sein, wieso die wenigsten von ihnen für solch einen Investitionsansatz werben…

Fazit

Die Vergleichsrechnung verdeutlicht, dass Investoren nicht aktivistisch ihre Aktien hin und her handeln müssen, um reich zu werden. Ganz im Gegenteil. Durch geringere Kosten für den Handel und den Effekt der Steuerstundung lässt sich die Rendite der Geldanlage massiv steigern. Diese Aussage ist unabhängig von der zugrundeliegenden Rendite der Anlage und somit allgemeingültig.Hin und her macht eben tatsächlich die Taschen leer...



Das Quellenverzeichnis zu diesem Eintrag findest Du hier. Die interaktive Berechnung findest Du hier.

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Vielen Dank und viel Spaß beim Weiterlesen,
Dein Andy
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